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Nordhausen, Deutschland

H2-Busbetankung ungekühlt und trotzdem sicher – Spielraum für wärmere Tage und größere Betankungsmengen

Wie kann sichergestellt werden, dass der Fahrzeugtank nicht überhitzt und das Fahrzeug trotzdem in möglichst kurzer Zeit fertig betankt wird? Ist es tatsächlich notwendig, den Wasserstoff während der Betankung zu kühlen? Um diese Fragen zu beantworten, wurde zusätzlich zu bereits existierenden Simulationen ein realer Betankungsprozess eines Solaris-Busses überwacht und analysiert.

 

Die Umweltkrise wird immer spürbarer und deswegen müssen wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren. Dabei ist die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln wie z. B. Bussen umso wichtiger. Werden diese auch noch mit grünem Wasserstoff anstelle von Diesel oder Benzin angetrieben, ist das auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn aber nun der Betankungsprozess durch eine aufwändige Vorkühlung komplexer wird, erhöht das nicht nur die Investitionssumme, sondern führt auch zu höheren laufenden Kosten, einem höheren CO2-Ausstoß und zusätzlich höherem Flächenverbrauch.

Aber was hat das nun mit der Betankung eines Wasserstoffbusses zu tun? Um die Effizienz des Antriebsstranges im Vergleich zu einem Wasserstoff-Verbrennungskraftmotor zu erhöhen, wird üblicherweise ein Hybrid-Wasserstoffsystem verwendet. Das bedeutet, der Bus hat nicht nur einen Wasserstoffdrucktank, sondern auch eine Batterie als Energiespeicher an Bord. Der Antrieb des Fahrzeuges erfolgt mit einem Elektromotor, der entsprechend seinem Lastprofil entweder nur über die umgewandelte Energie aus dem Wasserstoff mittels einer Brennstoffzelle versorgt wird oder zusätzlich aus der Batterie gespeist wird.

Beim Wasserstoffdrucktank unterscheidet man zwischen Speichertypen und -drücken. Es wurde im Zuge eines Wasserstoffbus-Testbetriebes eines österreichischen Mobilitätsanbieters ein Bus der Firma Solaris betankt. Dieser Bus verwendet einen Typ IV Speicher mit einem nominalen Speicherdruck von 350 bar und einem Maximaldruck von 438 bar. Bisher wurde bei Bussen meist ein Typ III Speicher verwendet, welcher aus einem Aluminiumgehäuse besteht, der mit Kohlefaser ummantelt ist.

Der große Unterschied zu einem Typ IV Speicher ist nun, dass das Aluminiumgehäuse wegfällt und anstelle dessen ein Kunststoff-Inliner verwendet wird. Deshalb ist dieser Tank temperaturempfindlicher als ein Typ III Speicher. Die zulässige Betriebstemperatur liegt zwischen -40 °C bis +85 °C. Das Tanksystem des Solaris-Busses besteht aus mehreren einzelnen Speichern und hat ein theoretisches Fassungsvermögen von 1.560 Litern. Das entspricht 37 kg Wasserstoff bei 350 bar und 15 °C.

Der Solaris-Bus ist zusätzlich mit einer Infrarot-Schnittstelle ausgestattet, die Informationen über den tatsächlichen Tankdruck, die Tanktemperatur und den SOC1) an die Tankstelle liefert.

Kein detailliertes "Heavy-Duty"-Betankungsprotokoll vorhanden

Für „Light-Duty“-Fahrzeuge sind Vorgaben zum Betankungsprozess in der SAE2) J2601 beschrieben. Im Teil 2 dieser Norm wird der Prozess für „Heavy-Duty“-Fahrzeuge, also Busse und LKWs, behandelt. Allerdings sind darin nur die bereits erwähnten Betriebsdrücke und Temperaturen gelistet sowie drei Betankungsgeschwindigkeitsklassen. Es gibt jedoch keine detaillierten Tabellen, um die für eine standardisierte Betankung notwendige Druckanstiegsrampe und den Zielenddruck daraus abzuleiten, wie es für „Light-Duty“-Fahrzeuge weltweit gängige Praxis ist.

Die Druckanstiegsrampe des betankten Solaris-Busses ist in Abbildung 1 als dunkelblaue Kurve dargestellt. Dabei handelt es sich um den ansteigenden Druck am Zapfsäulenausgang und dann in weiterer Folge um den Druckanstieg im Fahrzeug, welcher als hellblaue Kurve dargestellt ist. Warum ist aber die Wahl der Druckrampe wichtig für eine Betankung? Während der Befüllung des Tanks treten zwei unterschiedliche Effekte auf.

Zunächst hat Wasserstoff in dem verwendeten Druckbereich beim Druckabbau (Entspannung) den Effekt, dass er warm wird. Das nennt man den umgekehrten Joule-Thompson-Effekt. Andere Gase werden, je nach Druckdifferenz und Niveau, meistens beim Entspannen kalt. Das bedeutet, wenn wir den Wasserstoff vom Tankstellensystem in den Tank überströmen lassen, wird der Druck zunächst reduziert und der Wasserstoff wird warm. Durch das Einströmen des Wasserstoffs in den Tank, bis dieser seinen End-Druck erreicht hat, findet zeitgleich eine Verdichtung (Komprimierung) des Wasserstoffs statt.

Dadurch wird Wärme in Folge von Kompression frei. Wie warm der Tank nach der Betankung tatsächlich wird, ist abhängig vom Druckanstieg pro Zeiteinheit, dem Startdruck des Fahrzeugtanks, der Tankgröße, dem Tankaufbau und der Umgebungstemperatur. Das ist soweit kein Problem, solange genügend Material zur Wärmeaufnahme und Zeit zur Wärmeabgabe des Tanksystems an die Umgebung vorhanden ist. Nun spalten sich die Meinungen, in welcher Zeit und insbesondere mit welcher Druckrampe und Medientemperatur die Wasserstoff-Busse betankt werden dürfen. Da es, wie im vorhergehenden Absatz beschrieben, keine detaillierten Vorgaben gibt, liegt die endgültige Freigabe der zulässigen Betankungsparameter derzeit noch bei den Busherstellern. Diese sind sich aber auch nicht alle einig.

Robert Adler, CEO von Maximator Advanced Technology GmbH, hat dazu eine eigene Betankungstabelle mit einem ähnlichen Aufbau wie bei „Light-Duty“-Betankungen entwickelt, welche bei unterschiedlichen Startdrücken und Umgebungstemperaturen einen Druckanstieg pro Zeiteinheit und einen Zielenddruck vorgibt. Diese Tabelle hat als Ziel, den Fahrzeugtank sicher zu befüllen, das heißt nicht zu überhitzen trotz minimaler Betankungszeit. Es gibt Simulationen, die im Gegensatz zu den von der Maximator Advanced Technology GmbH entwickelten Betankungstabellen einen Bedarf für eine Vorkühlung des Wasserstoffes ableiten, da der Tank bei zu hohen Füllgeschwindigkeiten bzw. zu hohem Druckanstieg seine maximale Betriebstemperatur von 85 °C überschreiten könnte.

Auf Basis dieser Simulationen wurde vorgeschlagen, in einer zukünftigen Norm für „Heavy-Duty“-Fahrzeuge eine Kühlung oberhalb der maximalen Wasserstofftemperatur am Zapfsäulenaustritt vorzuschreiben. Jedoch werden für eine Simulation des Betankungsprozesses viele Parameter nach bestem Wissen angenommen und auch Kompromisse der Realität gegenüber eingegangen, wodurch das Ergebnis von der Realität abweicht. Auf Basis dieser theoretischen Überlegungen würde man eine Kälteanlage benötigen, um den Wasserstoff auf eine vorgegebene Temperatur vorzukühlen. Das bedeutet, wie schon erwähnt, erhöhte Investitions- und Betriebskosten sowie auch erhöhter Platzbedarf.

Um zu beweisen, dass das von Robert Adler entwickelte Betankungsprotokoll auch ohne Kühlung auskommt, mussten Betankungstests unter Realbedingungen durchgeführt werden.

Simulation versus Realität

Diese wurden in Abstimmung mit dem Bushersteller Solaris durchgeführt. Dabei wurde mit einer sehr langsamen Druckanstiegsrampe begonnen und diese schrittweise erhöht, bis die Druckanstiegsrampe jener der entwickelten Betankungstabelle entsprach. Während der Betankung wurden die Tanktemperatur und der Tankdruck einerseits über die Infrarot-Schnittstelle und zusätzlich von einem Solaris-Techniker überwacht. Die Temperaturmessung im Tanksystem erfolgte bei insgesamt fünf Speicherflaschen mit drei Temperaturtransmittern pro Flasche. Die verwendete Tankstelle wurde von einem 200 bar Trailer versorgt und bestand aus einem 1.000 bar Verdichter („MAX-Compression“) und einem 1.000 bar Hochdruckspeicher mit drei Speicherbanken. Die Befüllung erfolgte in Kaskaden geschaltet zunächst aus dem 200 bar Trailer und dann aus den drei Hochdruckspeicherbanken. Üblicherweise hat man bei einer Busbetankungsanlage niedrigere Speicherdrücke, die um die 500 bar liegen. Das führt aufgrund des umgekehrten Joule-Thompson-Effektes zu einem geringeren Wärmeeintrag, als die von Maximator verwendeten 1.000 bar Hochdruckspeicher. Der erhöhte Speicherdruck und die Umgebungstemperatur an dem Tag der Betankung von 23,5 °C führten zu besten Bedingungen für einen „Worst-Case“-Szenario-Test.

Der Betankungsverlauf ist in Abbildung 1 zu sehen. Der Druck des Wasserstofftanks bei Start der Betankung betrug 42 bar. Die Startdruckerkennung erfolgt zu Beginn über einen Druckstoß, erkennbar als die erste Druckspitze (dunkelblaue Linie in Abbildung 1).

Zusätzlich werden der Tankdruck (hellblaue Linie) und die Temperatur (rote Linie) über die IR-Schnittstelle eingelesen. Die hellgrüne Linie zeigt den aktuellen Massendurchfluss während der Betankung, die orangefarbene Linie zeigt das obere Temperaturlimit des Typ IV Tanks. Gut erkennbar gibt es zwischendurch immer Druck- und Durchflussspitzen. Diese sind die Punkte, bei denen von einer Speicherbank zur nächst höheren umgeschaltet wurde. Es ist außerdem zu erkennen, dass der Ausgangsdruck der Zapfsäule um beinahe 100 bar höher liegt, als der tatsächliche Tankdruck. Dabei spricht man vom dynamischen Druckverlust, welcher mit dem Durchfluss zunimmt und bei geringerem Durchfluss, gegen Ende der Betankung, wieder auf Null abfällt. Dieser wird durch das Betankungsequipment, aber auch durch Bauteile am Tanksystem verursacht. Insgesamt dauerte die Betankung 10 Minuten und es wurden 26 kg Wasserstoff betankt. Die Betankung erfolgte mit einem Druckanstieg von 38 bar/min, wobei der Tankenddruck 330 bar betrug.

Keine Kühlung notwendig

Diese Testbetankung hat gezeigt, dass eine Kühlung des Wasserstoffs vor der Betankung nicht notwendig ist. Woran erkennt man das? Die maximale Temperatur, die während der Betankung gemessen wurde, betrug ungefähr 65 °C. Das liegt 20 °C unterhalb der maximalen Betriebstemperatur des Tanksystems von 85 °C. Nun könnte man noch entgegnen, dass die Außentemperatur am Tag der Testbetankungen nur 23,5 °C betrug. Betankungen sind allerdings bis 40°C zulässig. Es bleibt, wie bereits erwähnt, nach wie vor ein Delta von 20 °C bis zur Grenze der maximalen Betriebstemperatur des Wasserstofftanks.

Das bedeutet, es gibt noch genügend Spielraum für wärmere Tage und größere Betankungsmengen.

 

1) SOC = State of Charge („Ladezustand“) 2) SAE = Society of Automotive Engineers

Fachpublikation: 09/2020
Verfasser: Robert Adler, Sahra Gruber (Maximator Advanced Technology)

Anne Fiebig | Marketing and Communications